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English: Danger/Threat Situation, Español: Situación de Peligro, Português: Situação de Perigo, Français: Situation de Danger/Menace, Italiano: Situazione di Pericolo

Gefahrenlage im Polizeikontext bezeichnet eine Gesamtheit von Umständen oder Ereignissen, die eine aktuelle oder unmittelbar bevorstehende Bedrohung für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt. Sie ist der zentrale Anknüpfungspunkt für das polizeiliche Handeln im Bereich der präventiven Gefahrenabwehr und entscheidet über die Zulässigkeit polizeilicher Eingriffe.

Allgemeine Beschreibung

Die Gefahrenlage ist der juristisch exakte Begriff, der die polizeiliche Eingriffsschwelle definiert:

  1. Gefahr: Ein Zustand, bei dem in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für Schutzgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum, Staat) eintreten wird.

  2. Lage: Bezieht sich auf das Gesamtfeld der Situation, die die Gefahrenquellen, die betroffenen Schutzgüter und die zeitliche Dringlichkeit umfasst.

  3. Abgrenzung: Die Feststellung einer Gefahrenlage ist Voraussetzung dafür, dass die Polizei präventiv tätig werden darf. Liegt keine Gefahrenlage vor, sind polizeiliche Eingriffe in die Grundrechte (z. B. Platzverweis, Ingewahrsamnahme) rechtswidrig (Vorbehalt des Gesetzes).

Anwendungsbereiche

Die Bewertung einer Gefahrenlage durchdringt die gesamte polizeiliche Präventions- und Einsatzarbeit:

  • Einsatzplanung: Die Lagebeurteilung (z. B. vor einer Demonstration oder einem Fußballspiel) dient der Feststellung der Gefahrenlage, um die geeignete Personalstärke und Ausrüstung festzulegen.

  • Gefahrenabwehr: Die unmittelbare Feststellung einer Gefahr durch einen Streifenbeamten (z. B. bei einem Verkehrsunfall oder häuslicher Gewalt) berechtigt zum sofortigen Eingriff.

  • Informationsgewinnung: Lagebilder und Gefährdungsanalysen (z. B. im Bereich Terrorismus oder Organisierte Kriminalität) dienen der frühzeitigen Erkennung von Gefahrenlagen, bevor diese akut werden.

  • Verwaltungsrechtliche Maßnahmen: Die Anordnung von Platzverweisen, Versammlungsverboten oder Gefährderansprachen beruht auf der Annahme einer konkret festgestellten Gefahrenlage.

Spezielles: Arten der Gefahr

Das Verwaltungsrecht differenziert die Gefahrenlage nach ihrer zeitlichen und räumlichen Konkretisierung, was für die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme entscheidend ist:

  • Konkrete Gefahr: Die wahrscheinlichste Form. Eine Sachlage, bei der im Einzelfall in der Gegenwart ein Schaden für ein Schutzgut eintreten wird (z. B. eine Person hält eine Waffe in der Hand).

  • Anscheinsgefahr: Der Beamte nimmt im Zeitpunkt des Handelns objektiv eine Gefahr an, die sich nachträglich als nicht existent herausstellt (z. B. der vermeintliche Waffenträger hält nur eine Spielzeugpistole). Die polizeiliche Maßnahme ist in diesem Fall rechtmäßig.

  • Gefahrenverdacht: Tatsächliche Anhaltspunkte sprechen für eine Gefahrenlage, aber weitere Ermittlungen sind nötig, um dies zu klären. Hier sind nur milde Aufklärungsmaßnahmen zulässig (z. B. Ansprechen der Person, Beobachtung).

Bekannte Beispiele

  • Verkehrsunfall mit Verletzten: Eine klare Gefahrenlage für weitere Verkehrsteilnehmer, die polizeiliche Maßnahmen wie Straßensperrung und Erste Hilfe rechtfertigt.

  • Ankündigung einer Straftat: Die Äußerung einer Person, sich oder andere verletzen zu wollen (z. B. Amokdrohung), begründet eine Gefahrenlage, die eine präventive Ingewahrsamnahme rechtfertigen kann.

  • Unkontrolliertes Feuer: Ein Brand, der auf Nachbargebäude oder Wälder überzugreifen droht, stellt eine Gefahr für Eigentum, Umwelt und Gesundheit dar.

Medienpräsenz

Der Begriff "Gefahrenlage" gelangte im Oktober 2025 verstärkt in die Medien, da die vermehrten, ungeklärten Drohnensichtungen über kritischer Infrastruktur, insbesondere über dem Flughafen München, eine neue Art von Bedrohungsszenario beleuchteten. Die Vorfälle führten zu weitreichenden Flugausfällen und Verspätungen und zeigten, dass die bisherigen Befugnisse der Polizei zur Abwehr der Gefahrenlage durch unbemannte Flugobjekte (Drohnen) nicht ausreichend waren.

Die Medien berichteten in diesem Kontext intensiv über:

  • Die Veränderung der Gefahrenlage durch hybride Bedrohungen, hinter denen teilweise Russland vermutet wurde (was offiziell nicht bestätigt wurde).

  • Die politischen Konsequenzen, wie die Beschlüsse der bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung, Gesetze zu verschärfen (z. B. Bundespolizeigesetz) und der Polizei neue Kompetenzen zum Abschuss oder zur Neutralisierung von Drohnen zu geben, um die Gefahrenlage wirksam beenden zu können.

Risiken und Herausforderungen

  • Fehlbeurteilung: Die Gefahr der Fehleinschätzung einer Situation als Gefahr (Anscheinsgefahr) oder als Nicht-Gefahr, was entweder zu rechtswidrigen Eingriffen oder zu unterlassener Hilfeleistung führen kann.

  • Rechtsmissbrauch: Die willkürliche Ausweitung des Begriffs "Gefahrenlage" durch Beamte, um Kontrollen oder Eingriffe ohne hinreichenden Verdacht zu rechtfertigen.

  • Dynamik: Gefahrenlagen sind oft dynamisch und können sich schnell ändern, was von den Einsatzkräften eine ständige Neubewertung der Situation erfordert.

Ähnliche Begriffe

  • Gefahr im Verzug: Eine besonders dringliche Form der Gefahrenlage, die sofortiges Handeln erfordert und eine Ausnahme von eigentlich notwendigen richterlichen Anordnungen erlaubt (z. B. Durchsuchung ohne Richtervorbehalt).

  • Öffentliche Sicherheit und Ordnung: Das Schutzgut, dessen Verletzung oder Bedrohung die Gefahrenlage darstellt.

  • Störung der öffentlichen Sicherheit: Der eingetretene Schaden (im Gegensatz zur bevorstehenden Gefahr).

  • Gefährder: Eine Person, die aufgrund ihres Verhaltens die Gefahrenlage unmittelbar herbeiführen kann.

Zusammenfassung

Die Gefahrenlage im Polizeikontext ist die hinreichend wahrscheinliche Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Sie ist die zentrale gesetzliche Voraussetzung für das präventive Handeln der Polizei. Entscheidend ist die Unterscheidung zwischen der konkreten Gefahr und der Anscheinsgefahr. Die jüngste Medienpräsenz im Oktober 2025 ergab sich durch die zunehmende Bedrohung durch Drohnen über kritischer Infrastruktur, was zu Gesetzesinitiativen zur Anpassung der polizeilichen Abwehrkompetenzen führte.

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